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Gift für die Beziehung
Wie Stress langsam und unbemerkt die Liebe erlischt.
Gift für die Beziehung
Etwa die Hälfte der Beziehungen wird wieder aufgelöst. Studien belegen, dass chronischer Alltagsstress eine wesentliche Rolle dabei spielt. Diesen Stress erfahren wir ausserhalb der Beziehung, dann bringen wir ihn nach Hause oder in die Partnerschaft. Chronischer Alltagsstress ist besonders gefährlich, weil wir dessen toxische Wirkung lange nicht bewusst wahrnehmen, es ist ein schleichender Zerfall der Liebe.
Wenn dann noch eine einschneidende Stresserfahrung hinzukommt (z.B. Krankheit, Jobverlust, Zügeln, sonstiger Verlust usw.) und wir dünnhäutiger oder empfindlicher werden, bekommen wir vielleicht das Gefühl, dass die Beziehung nicht mehr stimmt.
Chronischer Stress kann auf alle Beziehungen wirken. Ich gehe im Folgenden spezifisch auf Paarbeziehungen ein. Auch für Menschen, die sich eine partnerschaftliche Beziehung wünschen, oder dabei sind, sich mit jemandem zu binden, kann der der Alltagsstress blockierend sein.
Wie das Gift wirkt
Unser Alltag braucht viel Energie, welche uns für die Beziehungspflege fehlt. Oft sind wir gereizt und die Nerven liegen blank, oder wir verschliessen uns, sind abweisend und wollen nur noch unsere Ruhe haben. In der Partnerschaft öffnen wir uns nur noch oberflächlich, es kommt zu Konflikten und Frust. Das Gegenüber zieht sich vielleicht ebenfalls zurück. Die Negativspirale beginnt langsam – meist unbemerkt – zu drehen, das Paar entfremdet sich.
Wir sind im Alltagstrott gefangen und versuchen, die an uns gestellten Aufgaben zu bewältigen (im Beruf, als Mutter/Vater, als Kinder betagter Eltern, als Vereinsmitglied, Kolleg*in usw.). Dabei verlieren wir die Perspektive des Partners aus den Augen. Alles andere scheint wichtiger zu sein. Wir nehmen uns weniger Zeit für persönlichen Austausch, um zu erfahren, was das Gegenüber wirklich empfindet und wünscht. Wir gehen nicht mehr auf Herzensebene aufeinander ein und obwohl man sich im Grunde immer noch liebt und sich gut versteht, schwindet die Liebe.
Im Aussen erlebter Stress führt dazu, dass wir mit unserem Partner oft anders umgehen. Wir reagieren gereizt, unwirsch und eher ichbezogen. Wir wollen keine langen Diskussionen und sind weniger bereit für tiefgehende Gespräche. Im Stress nehmen wir eher Negatives wahr und verlieren den Fokus auf das Positive – auch bezüglich dem Gegenüber. Die Kommunikation in der Beziehung leidet, sie wird oberflächlich und unpersönlich.
Chronischer Stress führt langfristig zu Gesundheitsproblemen. Eine Krankheit kann ein Paar zusammenschweissen. Doch viele erleben gesundheitliche Probleme als zusätzliche Belastung für die Beziehung.
Bevor der Stress uns scheidet
Stress muss kein Liebeskiller sein. Wir können lernen, mit unserem individuellen Stress besser umzugehen und auch den gemeinsamen Stress in der Beziehung souveräner zu bewältigen.
Was wir für uns selbst tun können
- Die eigenen Bedürfnisse spüren und einbringen.
- Grenzen setzen, Nein-Sagen.
- Realistische Ziele festlegen, weniger ist oft mehr.
- Den inneren Perfektionisten und Kritiker verabschieden.
- Mit dem Vergleichen aufhören.
- Negative Selbstgespräche und Selbstvorwürfe vermeiden.
- Die hohen Erwartungen runter schrauben.
- Vermeidungs- und Ablenkungsstrategien erkennen und sich den Situationen und Gefühlen stellen.
- Gesünder leben.
- Bewusst Zeit für Erholung einplanen.
- Entspannungstechniken nutzen (Yoga, Tai Chi, Meditation, autogenes Training etc.)
- Dinge tun, die Freude bereiten.
- Frühzeitig Support und Unterstützung holen, wenn man selber nicht weiter kommt.
Was wir als Paar tun können
- Den eigenen Stress, die Gefühle und Sorgen dem Gegenüber mitteilen.
- Sich gegenseitig emotional unterstützen mit Offenheit, Verständnis, Wertschätzung.
- Gemeinsam nach Lösungen suchen, die für beide stimmen.
- Auf das Gleichgewicht von Geben und Nehmen in der Beziehung achten.
- Probleme nicht unter den Teppich kehren und hoffen, dass sie von alleine verschwinden.
- Offen, wertschätzend und positiv kommunizieren.
- Allenfalls externe Unterstützung holen, bevor das Feuer der Liebe endgültig erlischt.
Es ist eine echte Herausforderung in unserer schnelllebigen Zeit, eine gesunde Balance zu finden, damit auch unsere Beziehungen genährt werden. So lohnt sich die Überprüfung, wie wir im Leben unterwegs sind.
Habe ich Verhaltensweisen, die nicht zu meinem Wohle sind?
Wo tue ich Dinge, die nicht mir entsprechen?
Welcher kleine Schritt in die andere Richtung kann ich HEUTE tun?
Quelle: Bevor der Stress uns scheidet, Guy Bodenmann
Bild: © Priscilla du Preez / unsplash.com