Es gibt diese alltäglichen Reize, welche unser Nervensystem automatisch aktivieren: ein «falsches» Wort, eine schlechte Nachricht, etwas funktioniert nicht wie gewünscht oder alte Erinnerungen kommen hoch.

Unsere Reaktion auf diese Reize ist reflexartig, häufig übermässig und nicht zu unserem Wohl. Zudem ist oft nicht der Reiz an sich ausschlaggebend dafür, ob wir Stress empfinden oder nicht, sondern wie wir den Reiz, respektive die Situation, interpretieren, bewerten und damit umgehen.

• Wir empfinden Schuld, Verlegenheit oder Angst.
• Wir nehmen Dinge (zu) persönlich.
• Wir gehen auf Angriff und werden aggressiv.
• Wir ziehen uns zurück und verstummen.
• Wir ignorieren oder unterdrücken unsere Gefühle.
• Wir lenken uns ab oder flüchten.

„Zwischen Reiz, und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit“.

Viktor Frankl

Wir haben das Potenzial, diesen Raum zwischen Reiz und Reaktion neu zu gestalten und die bisherigen Verhaltensmuster zu ändern. Die Prägungen und Glaubensmuster, welche Veränderungen erschweren, sind kraftvoll. Doch mit einem klaren JA zu sich selbst und einem gewissen Mass an Geduld und Durchhaltewillen gelingt die Neuorientierung.

Wie kommen wir in unsere Macht, um unsere Reaktion zu wählen?

Bewusstwerdung

In einem ersten Schritt werden wir sensibler für die eigene Innenwelt und unseren Körper. Wir werden uns bewusst, wie wir in stressigen Situationen reagieren. Wir erkennen die Konditionierungen, welche die Verhaltensmuster auslösen. Wir verstehen uns besser und die daraus erwachte Klarheit bewirkt bereits eine erste Entspannung.

Der Aspekt der Achtsamkeit, dem bewussten Wahrnehmen wie etwas im jetzigen Moment ist, hilft uns bei dieser Entdeckungsreise zu uns selbst.

Bedürfnisse

Sobald wir im Kontakt sind mit unseren Empfindungen, Emotionen und Gedanken, erkennen wir deutlicher unsere eigenen Bedürfnisse. Mit der Zeit können wir sie annehmen und leichter nach aussen mitteilen – ohne schlechtes Gewissen, Befürchtungen oder Zweifeln. Anstatt der bisherigen reflexartigen oder übermässigen Reaktion bleiben wir nun in Verbindung zu uns. Und darin liegt unsere Macht respektive unser Potenzial für neue, „gesunde“ Reaktionen.

Ressourcen

Im Laufe des Prozesses werden wir auch unserer Ressourcen* bewusster, wir finden leichter Zugang zu ihnen und aktivieren sie. Unsere Ressourcen stärken unser Vertrauen in unsere Fähigkeit, adäquater reagieren und Probleme lösen zu können. Sie öffnen den Raum für neue Möglichkeiten und Perspektiven.

* äussere Ressourcen: Beziehungen zu anderen Menschen, Tieren, Orten, Unterstützung von einzelnen oder Gruppen, Bewegung, Schlaf, Natur, Hobby usw.

* innere Ressourcen: innere Kräfte, Selbstvertrauen, positives Selbstbild, Einstellung gegenüber Veränderungen, persönliche Widerstandsfähigkeit usw.

Positive Erfahrungen

Mit der Zeit machen wir mehr positive Erfahrungen, indem wir unsere Ressourcen nutzen und dabei erleben, wie wir Einfluss haben auf die eigene Situation. Dabei erfahren wir uns als selbstbestimmt und wir reagieren souveräner, gelassener und erfolgreicher auf Stresssituationen. Die reflexartige Antwort auf Reize wandelt sich in eine bewusste Wahl zu unserem Wohl.

Wie bereits oben angedeutet, kann der Weg in die eigene Macht (Empowerment) eine Weile dauern und manchmal schwierig sein. Wichtig ist, uns selbst Mitgefühl entgegenzubringen und uns mit Milde zu begegnen.

Unser Hirn braucht Zeit, um Neues zu lernen, und unser Herz braucht Liebe und Verständnis, damit wir immer mehr uns selbst sein können.

Kommst du auf diesem Weg alleine nicht weiter, hole dir Support bei Freunden, Angehörigen oder durch eine professionelle Begleitung.

Bild: © Sebastian Coman Photography / unsplash.com